Heilsamer Umgang mit Gefühlen

Ich schlage Ihnen im Sinne eines kleines Experimentes vor, sich mal darauf zu achten, was Sie im Laufe des Tages so alles tun, um sich wohl zu fühlen. Das meiste geschieht nämlich dermassen automatisiert, dass es einem gar nicht mehr auffällt. Wir wollen doch alle glücklich sein und dass es uns gut geht. Die Stimmung – und damit alle Gefühle, die diese Stimmung zusammen bilden – soll möglichst positiv sein. Unser Denken und Handeln ist meistens von Gefühlen eingefärbt oder gar geleitet. Gefühle nehmen im menschlichen Erleben und Leben einen zentralen Platz ein. Umso beachtenswerter ist es, wieviele Menschen sich gerade im Umgang mit Gefühlen schwertun.

Das basiert meiner Meinung nach auf folgenden Fehlern:

  1. Sie unterteilen Gefühle in gute und schlechte, positive und negative. Die guten und positiven suchen sie, ja sie jagen ihnen nachgerade nach, sind auf sie fixiert. Und sind somit be- und gefangen. Die schlechten und negativen meiden sie, unterdrücken sie oder projizieren sie auf andere. Oder versuchen sie raschmöglichst durch positive zu ersetzen. Das limitiert den eigenen Bewegungsspielraum beträchtlich. In beiden Fällen ist man nicht frei und lebt in einer artifiziellen Welt. Weil das so viele Menschen tun, fällt einem kaum mehr auf, wie unangemessen und ungesund das ist.
  1. Gefühle sind einfach Gefühle. Sie geben uns Informationen über die Innen- und die Aussenwelt. Diese Informationen bekämpfen und manipulieren zu wollen ist einfach nicht sinnvoll, ja geradezu absurd. Unsere neurophysiologische Befindlichkeit und unsere Einstellungen* zu ihnen sind entscheidend dafür, ob wir sie als angenehm oder als unangenehm oder in einem weiteren Schritt gar als gut oder schlecht taxieren resp. in der Folge dann auch so erleben. Viele Menschen sind sich dieser steuernden Hintergrundsprogramme des Konditioniertseins nicht bewusst.
  1. Zudem meinen viele Menschen in Gefühle reingehen zu müssen. Das schafft jedoch eine Spaltung. Hier bin ich – da ist das Gefühl. Und dann gehe ich ins Gefühl rein. Und wundere mich, dass ich darin verloren- und untergehe.

Die Lösung besteht in Folgendem:

  1. Ich sorge dafür, dass ich präsent bin – körperlich, emotional, mental.
  1. Und dass ich klaren Bewusstseins bin.
  1. Ich fühle die Emotion, spüre sie auch körperlich.
  1. Und dann lasse ich sie IN mir allmählich zu: und zwar auf regulierte, dosierte Weise. So werde ich von ihr nicht überflutet (und gehe schon gar nicht in sie rein). Und ich werde die Erfahrung machen, dass das Gefühl sich verändert und einem anderen Gefühl, einer anderen Erfahrung Platz macht. So bin ich im freien Fluss des Lebens, statt mich künstlich aufgrund von Abwehr oder Sucht einzuschränken und selber gefangen zu setzen.

Im folgenden Video sehen Sie Mr. Ramesh, der sich dafür stark macht, vor Emotionen nicht zu flüchten, sondern sich ihnen zu stellen, sodass man aus dem Steckenbleiben rauskommen und freier leben kann. Selbsterforschung und Selbstverwirklichung geht nicht, wenn man sich von sich abwendet. Stattdessen bedarf es der Neugier und des Willens, in sich zu schauen. Allerdings empfiehlt leider auch er unhinterfragt, in Gefühle reinzugehen, um sie aufzulösen. Keine weise Wahl. Vielmehr bin ich hier und lasse die Gefühle in mir – erst dosiert, dann vollauf – zu: sie werden sich verändern, vergehen und ich werde bleiben: transformiert und freier. Um immer mehr derjenige zu sein, der ich im Kern wahrhafterweise bin. – Witzig ist Mr. Ramesh alleweil, finde ich. Et violà: Mr. Ramesh – la peur (mit deutschen Untertiteln):

 

* So kenne ich beispielsweise Leute, die mögen Liebe: Sie erfüllt ihre Brust, lässt sie weich und geschmeidig werden, Zartheit und Wärme breiten sich aus, Verbundenheit in sich und mit anderen tritt ein. Und ich kenne Leute, die gerade das nicht mögen: die Weichheit und Zartheit lässt sie sich verletzlich, verwundbar erleben, sie bleiben lieber kühl und distanziert, sind lieber abgegrenzt als mit anderen verbunden. Einige dieser Menschen schätzen dafür Hass: dieser verleiht ihnen Determiniertheit, lässt sie stark und eigenständig werden, in der Lage, sich effizient verteidigen zu können. Andere wiederum haben einen Widerwillen gegenüber Hass, der sie sich selber gegenüber als hart, erstarrt und unverbunden, isoliert und einsam erleben lässt.

Und so gibt es Vorlieben und Abneigungen allen Gefühlen gegenüber. Teils aus biographischen Gründen (was man im Leben erfahren hat) aufgrund dessen, wonach man sich sehnt (weil man es in sich vermisst) oder vor dem man sich fürchtet (weil man die früher gemachte Erfahrung noch nicht verarbeitet hat), teils aus familiären, gesellschaftlichen oder religiösen Konditionierungen heraus. Sowohl dem Ersehnen als auch dem Vermeiden liegen ungelöste innere Erlebnisse zugrunde. Sobald man Gefühle nicht einfach als das erleben und zulassen kann, was sie sind, nämlich einfach Gefühle (Informationen), hat man mit sich und der Welt ein Problem und ist vor allem weder objektiv noch frei.

Wut beispielsweise ist per se nichts Schlechtes oder Gefährliches. Sie stellt einem Energie zur Selbstbehauptung und Klärung zur Verfügung. Erst wenn man sie blindlings gegen sich selber oder andere richtet (also ausagiert, loshaben und abspalten will), wird es problematisch. Der Umgang mit ihr ist das Entscheidende! Manche Menschen setzen sie auch ein, um den darunterliegenden Schmerz, die Verletzung, die Enttäuschung, die Trauer, die Ohnmacht nicht spüren zu müssen. Heilung tritt jedoch nicht durch Verdrängen ein, sondern durch – reguliertes – Zulassen und Verarbeiten dessen, was einem davon abhält, ein freies und erfüllendes Leben zu leben.

 

Hier können Sie den heilsamen Umgang mit Emotionen lernen:

Basisseminare 1 und 2

Praxis für Traumatherapie und Psychologische Begleitung

 

 

Posted on August 28, 2017 in Uncategorized

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